• Erfahrungsbericht Digital gefräste Schienen

    Die Fertigung von Schienen galt bisher als nicht umsetzbar und war eine Domäne der analogen Zahntechnik. Seit einigen Jahren haben wir uns in der DentalAlliance mit verschiedenen Anforderungen bezüglich der digitalen Prozesskette beschäftigt

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  • 2013-06-27 23:10:27
  • Die Priorität in den digitalen Umsetzungen legten wir sehr früh auf den Schienenbereich. Auf die generelle Schienentherapieumsetzung habe ich mich zudem in meinem täglichen Arbeitsablauf spezialisiert und konzentriert.

    Dass so viel Zeit ins Land ging, ohne nachhaltigen Erfolg in der digitalen Umsetzung verzeichnen zu können, hatte verschiedene Gründe:
    • 1. Zu einem großen Teil war seitens der Industrie das zur Verfügung stehende PMMA-Material viel zu spröde und somit ungeeignet, die hohen Anforderungen im therapeutischen Bereich zu erfüllen. Hinzu kamen die viel zu hohen Grundkosten für einen Frame/Blank.
    • 2. Die bisherigen CAM-Strategien waren nicht in der Lage, die grundverschiedenen Unterschnitte so zu steuern, dass auf eine manuelle Nachbearbeitung verzichtetwerden konnte. Eine Nachbehandlung in der eigentlichen Passung durch manuelle Eingriffe stand für uns außerhalb der Diskussion. Nur digitale Verfahren ermöglichen es, eine möglichst gleichbleibende Qualität in den Produktionszyklen einzuhalten und das wird kaum bei analogen bzw. rein manuellen Verfahren gelingen.
    • 3. Unter perfekter digitaler Umsetzung verstanden wir den Einsatz eines akzeptablen virtuellen Artikulators, der in der Lage ist, die digital errechneten Werte über digitale Vermessungsverfahren wie z. B. den Freecorder®BlueFox adäquat zu berücksichtigen. Diese für uns wichtigen Parameter einer digital aufgebauten definierten Prozesskette stehen uns erst seit einigen Monaten zur Verfügung. Der Erfolg unserer digital produzierten verschiedenen Therapieschienen kann verglichen werden mit einem Puzzlebild, welches nur darum nahtlos zusammenpasst, weil in allen einzelnen Puzzlestücken Wert auf höchste Qualität gelegt wurde. Wir haben bei einigen bekannten Fräszentren in den letzten zwei Jahren nach unseren eigenen gescannten Daten Testschienen fräsen lassen. Diese Schienenergebnisse waren in der qualitativen Bewertung und Wahrnehmung auf Passung ausschließlich negativ geprägt. Das hat uns förmlich motiviert, mit ebenso engagierten Partnern die einzelnen Puzzlestücke zu perfektionieren, um schlussendlich ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Kunden und Patienten anbieten zu können.
    Materialauswahl
    Das wichtigste Puzzlestück, basierend auf den Testergebnissen, war das Material. Es galt ein Material zu kreieren, welches die hohen Indikationsanforderungen, die an Schienen gestellt werden, möglichst alle berücksichtigt. Das war zum Beispiel aus der Patientensicht betrachtet:
    • keine oder wenig Verfärbungen des Materials,
    • keine oder schwache Geruchsbildung
    • angenehmer Tragekomfort in Bezug auf Grazilität, ohne unangenehme Spannungen zu verursachen.
    Aus Sicht unserer Kunden und Auftraggeber galt es folgende Materialanforderungen zu berücksichtigen:
    • Verfärbungen möglichst vermeiden,
    • Funktion zu gewährleisten, kein zu hartes Material, aber auch nicht zu sehr verschleißend,
    • Bruchgefahr eindämmen.
    Wir haben versucht, mit einigen Industriepartnern ein Material zu gestalten, welches die genannten Eigenschaften berücksichtigt. Leider mit negativem Erfolg.

    Durch Zufall haben wir mit der Firma White Peaks Dental Systems in Essen Kontakt aufgenommen und sind dort auf offene Ohren gestoßen. In Meetings und vielen Fräs-Testphasen sowie Fräser-Testungen mit unterschiedlichen Durchmessern, Vorschubanpassungen der Maschinen etc. hat White Peaks es verstanden, für uns ein eigenes und aktuell zertifiziertes Material mit dem Namen: sensation bites by dentalalliance zu fertigen. Somit haben wir die erste Etappe – ein Alleinstellungsmerkmal im Markt aufzubauen – dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem erwähnten Industriepartner erreicht.

    Unser zertifiziertes Material zeichnet sich durch eine geringe Wasseraufnahme (dadurch entstehen kaum Verfärbungen) und einer angenehmen Elastizität aus.

    Wir sind in der Lage, unsere Schienen im klaren sensation bite oder in den gängigen VITA-Farben zu fräsen. Der Vorteil der eingefärbten Frames liegt im zweiten Therapiestepp, wenn aus Schienen ggf. nach entsprechender Indikation und Verordnung Overlays zwecks Verklebung gefräst werden sollen. Es war allen an diesem Konzept involvierten Partnern wichtig, auch dem ästhetischen Bereich Rechnung tragen zu können. Wir testen aktuell auch die Chance, unser Material im provisorischen Kronen und Brückenbereich einsetzen zu können. Das wichtige Puzzlestück wurde in ca. zwölfmonatiger Entwicklungsphase absolut zufriedenstellend gelöst.

    Strategie

    Das zweite Puzzle galt den Scan- und Frässtrategien. Eine der strategisch wichtigsten Entscheidungen ist und bleibt, mit welchem Scanner lassen sich möglichst alle zurzeit im Markt angebotenen digitalen Varianten umsetzen. Von vornherein stand für uns fest, es kommt nur ein völlig offener Scanner infrage. Ein No-Go galt den subventionierten wie auch den Scannersystemen, die über völlig überteuerte Zwangs-Updates die Grundkosten unnötig verteuern. Wir haben uns nach rein qualitativen Kriterien entschieden, somit kam nur ein einziger Spitzenscanner infrage. Ein Scanner, der unsere gestellten Anforderungen, vor allem auch in den implantologischen Möglichkeiten, zum jetzigen Zeitpunkt zu 100 Prozent erfüllt. Ein weiterer Aspekt in der digitalen Kette ist die Entscheidung, mit welchem Konstruktionsprogramm können
    die meisten Anforderungen gelöst werden, auch hier kam nur ein einziges Programm, welches unsere Anforderungen erfüllen konnte, infrage.

    Alle genannten Elemente haben ihre  Bedeutung, die gewünschte oder angestrebte Perfektion in der Fräsung von Schienen wird vornehmlich über die CAM-Strategie erreicht. Über unsere F&E Abteilung waren wir in der Lage, die CAM-Parameter auf unseren eigenen drei 5-Achs-Maschinen so einzustellen, dass eine manuelle Nacharbeit nicht mehr erforderlich ist.

    Teil drei im Puzzle der angestrebten rein digitalen Abläufe war die sich bietende Chance, gewonnene Daten aus elektronischen Vermessungen in den virtuellen Artikulator einzugeben. Durch den Einsatz moderner computergestützter Verfahren zur Analyse der Kiefergelenkbahnen lassen sich genaue Aussagen bzw. Rückschlüsse über den Zustand des Kausystems treffen. Zu diesem Zweck erfolgt die Vermessung des Patienten mit einem opto-elektronischen Registriersystem, bestehend aus drei Kameras. Der Patient wird hierzu mit Markern im Bereich des Unterkiefers und der Schädelbasis versehen. Die erfassten Daten erlauben neben der exakten Zuordnung des Unterkiefers zur ermittelten individuellen Scharnierachse auch die Programmierung des (virtuellen) Artikulators mit den patientenindividuellen Parametern (Gelenkbahnneigung, Bennettwinkel, ISS u. a.).

    Zur gewünschten erfolgreichen Funktionalität der Schiene ist die Oberfläche (okklusal) von entscheidender Bedeutung. Sie gibt die Bewegungen vor, die jetzt noch ausgeführt werden können. Der virtuelle Artikulator ermöglicht es, alle relevanten Daten in der dynamischen Okklusion, wenn gewünscht, einzuarbeiten bzw. virtuell einzuschleifen. Die konvertierten STL-Files werden anschließend über unsere CNC- Maschinen physisch umgesetzt. Aktuell haben wir mit der DDI-Group (Freecorder®BlueFox) eine intensive auch auf Forschungsuntersuchungen  basierte gemeinsame Zusammenarbeit beschlossen, in der auch Universitäten involviert sind. Der Vorteil der digital konstruierten Schienen, so Dr. Dr. S. Weihe, liegt in deren perfekter Reproduzierbarkeit, die eine wesentliche Voraussetzung für weiterführend wissenschaftliche Untersuchungen darstellt.

    Durch den digitalen Workflow lassen sich je nach Indikation und therapeutischem Profil problemlos veränderte Parameter einstellen, wobei die für den Patienten wichtigen Anforderungen (Passung, Grazilität, Tragekomfort etc.) unverändert bestehen bleiben. Bei der klassischen Herstellung einer Schiene wird es definitiv keinem Techniker gelingen, eine Schiene ein zweites Mal absolut identisch herzustellen.

    Indikation und Therapie von Aufbissschienen

    Ist als Ursache für die Funktionsstörung des Kausystems zweifelsfrei eine Fehlstellung der Zähne beziehungsweise des Unterkiefers diagnostiziert worden, kann dies durch eine Aufbissschiene therapiert werden. Durch eine gezielt therapeutisch verordnete Aufbissschiene besteht eine hohe Chance, dass sich die Muskulatur des Kiefers entspannen und die Gelenkfunktion verbessert werden.

    Eine weitere recht häufig vorkommende Dysfunktion wird allgemein als Bruxismus bezeichnet. Bruxismus kann einen erheblichen Verschleiß an den Zähnen auslösen. Das Knirschen oder Pressen wird durch eine Schienentherapie kaum verhindert, da die Schiene weicher ist als die Zähne, wird beim Knirschen jedoch die Schiene abgerieben und nicht die Zähne. Sinn einer Aufbissschiene ist es u. a., die Zähne vor weiterem Substanzverlust zu schützen und und möglichst das unbewusste Knirschen mit den Zähnen zu reduzieren.

    Gegebenenfalls Diagnose CMD

    CMD ist die Abkürzung der zahnmedizinischen Bezeichnung cranio-mandibuläre Dysfunktion.

    Diese beschreibt eine Störung des Zusammenwirkens der Zähne, Kaumuskeln und Kiefergelenke. CMD tritt häufig in Wechselwirkung mit Kopfschmerz, Tinnitus und Rückenbeschwerden auf.

    In den letzten Monaten haben wir gerade bei CMD-Fällen mit unseren sensation bite-Schienen für einen großen Erfolg bei den Patienten sorgen können. Bei den verordneten Schienen, die für den Patienten einen spürbaren Erfolg brachten, wurde auf die „richtige Zentrik“ oder Idealbiss sehr viel Wert gelegt. Ursache von Funktionsstörungen der Kiefergelenke ist meist ein „falscher Biss“, bedingt durch kompensierten Stress, Stellungsanomalien der Zähne, kieferorthopädische Überregulierungen oder mangelhafte prothetische Versorgung.

    Aktuell führen wir mit verschiedenen auf diesem Gebiet anerkannten und erfahrenen Behandlern eine Studie über digitale Schienen durch. In dieser Studie werden bei Patienten mit diagnostizierter Fehlfunktion Zentrikbestimmungen nach klassischem Verfahren und per elektronischem Verfahren (Freecorder ®BlueFox) parallel erfasst. Bei Abweichungen in der Zentrikbestimmung werden somit für den jeweiligen Patienten zwei Schienen erstellt. Die Behandler werden innerhalb der Therapie nach Feedback des Patienten entscheiden, welche Schiene nach welcher Messmethode getragen wird. Eine jetzt schon sehr beachtete Studie, die nach unseren Recherchen noch nicht durchgeführt wurde. Die Ergebnisse aus dieser interessanten Studie werden in allen Details veröffentlicht.

    Fazit

    Die bisherigen analog hergestellten und bekannten Schienen-Herstellungs-Verfahren haben sich über zig-Jahre bewährt und gewissen Verfahren ist auch die wissenschaftliche Anerkennung erteilt worden. Die neue Ära der digitalen Verfahren durch Programmierungen mit perfekten Fräsergebnissen, neuen und besseren Materialien wird auch die Schienentherapie erfassen und die analogen Verfahren verdrängen. Wie schnell das geht, wird wie bei allen Veränderungen der Markt bestimmen. Alle bisher mit unseren digitalen Schienen versorgten Patienten loben übereinstimmend den hohen Tragekomfort, verglichen mit den „alten bisherigen“ Schienen. Bis zum heutigen Zeitpunkt (Januar 2013) tragen über 70 Patienten Therapieschienen, die nach unserem digitalen Workflow hergestellt wurden. Dabei ist es bisher zu keiner einzigen Fehlpassung oder sonstigen, negativen Auswirkungen gekommen. Das Ziel der DentalAlliance Gruppe ist es, unsere Schienenvarianten im Sinne unserer Kunden und Patienten noch mehr zu perfektionieren.

    Fotos: B. Kohlhaas, K. Vossen, P. Kappert Dentalalliance

    Kontakt

    Peter Kappert
    Peter Kappert Dental-Labor GmbH
    GF der DentalAlliance GbR, Essen
    Frankenstraße 40–46
    45134 Essen
    Tel.: 02014 3958-0
    E-Mail: Peter.kappert@kappert.de
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    • Indikationen
      • Dental-Schienen

    • Materialien
      • Polymere

    • Logos

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